–  Medienmitteilung

«Gegen meinen Willen»

Täglich erleiden hunderttausende von Mädchen physischen und psychischen Schaden. Sie werden als Kinder verheiratet, ihre Genitalien beschnitten oder sie werden vernachlässigt oder gar getötet, weil sie weiblich sind. Ihr Wille bleibt ungehört, ihre Selbstbestimmung unterbunden. Viele Familien handeln eigentlich in guter Absicht und möchten ihre Kinder für die Zukunft absichern. Hier gilt es anzuknüpfen. Um schädliche Praktiken wie Zwangsheirat und weibliche Genitalverstümmelung endlich zu stoppen, müssen Programme im familiären und gesellschaftlichen Umfeld sowie der Politik ansetzen und Alternativen schaffen; weltweit und in der Schweiz.

«Gegen meinen Willen» - unter diesem Titel behandelt der Bericht des UNO-Weltbevölkerungsfonds UNFPA 2020 das Thema schädliche Praktiken wie weibliche Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation FGM) und Zwangsheirat. Eigentlich wären solche Praktiken international geächtet. Sie fügen nicht nur den Betroffenen grossen Schaden zu, sondern untergraben auch die Geschlechtergleichstellung. Auch in der Agenda 2030 zu nachhaltiger Entwicklung ist die Beseitigung aller schädlichen Praktiken wie Kinderheirat, Zwangsheirat sowie FGM als Unterziel festgeschrieben. In der Realität sind wir davon jedoch weit entfernt: Weltweit sind aktuell 200 Millionen Frauen von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen. Schätzungsweise 650 Millionen Frauen und Mädchen wurden als Kind verheiratet. Für ein Mädchen bedeutet eine solche Kinderheirat in der Regel der frühzeitige Abbruch der Schulzeit und der Kindheit. Ab jetzt gilt es, Kinder zu bekommen, was für sehr junge Frauen ein grosses gesundheitliches Risiko bedeutet. Ausserdem fehlen laut UNFPA weltweit 140 Millionen Frauen aufgrund der Präferenz der Eltern und der Gesellschaft für männliche Nachkommen.

Weibliche Genitalverstümmelung und Zwangsheirat sind auch in der Schweiz ein Thema. Schätzungen zufolge sind rund 22'000 Mädchen und Frauen betroffen oder gefährdet. Weibliche Genitalverstümmelung ist strafbar, auch wenn die Tat im Ausland begangen wurde. Seit 2016 gibt es das Netzwerk gegen Mädchenbeschneidung, das von SEXUELLE GESUNDHEIT SCHWEIZ, Caritas Schweiz, Terre des Femmes und dem Schweizerischen Kompetenzzentrum für Menschenrechte getragen wird. Das Netzwerk betreibt ein Informationsportal, berät Betroffene und Fachpersonen, betreibt Präventionsarbeit in den Communities, sensibilisiert Fachpersonen und baut regionale Anlaufstellen auf.

Gemäss UNFPA besteht aktuell die Gefahr, dass Programme gegen FGM und Kinderheirat aufgrund der Corona-Massnahmen aufgeschoben werden und schädliche Praktiken ansteigen. Während der Covid-19-Pandemie hat das Netzwerk gegen Mädchenbeschneidung Schweiz eine wichtige Aufgabe übernommen, um die Beratungstätigkeit auch während des Lockdowns aufrecht zu erhalten. Multiplikatorinnen und Multiplikatoren des Netzwerks haben dazu beigetragen, dass der Zugang zu offiziellen Informationen für fremdsprachige Personen gewährleistet blieb. Nun gilt es sicherzustellen, dass solche Programme nicht sistiert und Projekte gegen schädliche Praktiken langfristig weitergeführt werden können; sowohl in der Schweiz als auch in der internationalen Zusammenarbeit.

Medienmitteilung (PDF)